Fest der Kulturen

Betreuer*innen bei der AOZ: «Die Menschheit braucht mehr von eurer Sorte»

Einfach ist die Arbeit als Betreuer*in bei der AOZ nicht. Aber sie bewirkt etwas. So sehr, dass sich ehemalige Klient*innen noch lange Zeit später an die Betreuungspersonen erinnern – und sich mit herzlichen Worten bedanken.

Die Briefe rühren Betreuerin Yordanos Berhe zu Tränen. «Ich werde die Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit für immer in meinem Herzen tragen», schreibt Habib* (17). Modou* (15) bedankt sich für die «Geduld, Freundlichkeit, Fürsorge und Menschlichkeit» der Betreuenden. Weiter schreibt er: «Die Menschheit braucht mehr von eurer Sorte.» Beide Jugendliche kamen als unbegleitete Minderjährige (UMA) ins Bundesasylzentrum Zürich (BAZ Duttweiler). Die Betreuungspersonen vor Ort haben die beiden so sehr geprägt, dass sie sich in zwei rührenden Briefen bei ihnen bedanken: «Ihr habt mir das Gefühl von Wärme und Zugehörigkeit vermittelt, das ich in dieser schwierigen Zeit so dringend brauchte», schreibt Habib. Dabei war die Zeit im BAZ nicht immer einfach – weder für die Jugendlichen noch für ihre Betreuer*innen.

Diebstahl ändert alles

Yordanos Berhe erinnert sich noch gut an die beiden. Die beiden hätten sich an die Regeln gehalten und sich sehr bemüht, sich zu integrieren. «Sie hatten sogar ein Schild an der Tür, damit wir nicht Englisch oder Französisch mit ihnen reden. Darauf stand ‹Wir wollen Deutsch lernen›.» Besonders fleissig seien die zwei gewesen. Doch dann wurde alles auf einen Schlag anders. Zwei BAZ-Bewohnende haben vor dem Rückflug in ihr Heimatland die Zimmer durchsucht und Mobiltelefone gestohlen – auch die von Habib, Modou und anderen unbegleiteten Minderjährigen. Alle Fotos, alle Kontakte waren auf einen Schlag weg. Keine Chance auf Wiederbeschaffung. «Die Jugendlichen waren am Boden zerstört. Der Diebstahl hat sie komplett aus der Bahn geworfen», erzählt Yordanos. Konflikte und Schlägereien waren die Folge.

Die Kurve gekriegt

In dieser schwierigen Zeit waren die Betreuungspersonen besonders gefragt. In unzähligen Gesprächen und Aktivitäten haben die Betreuenden die Jugendlichen wieder aufgebaut. «Einmal habe ich die zwei aufgefordert, aufzustehen und mit aller Kraft zu versuchen, die Wand wegzuschieben», erzählt Yordanos. Und das ein paar Mal nacheinander. «Sie wollten wissen, was das soll. Da habe ich gesagt: ‹Ihr könnt es noch so sehr versuchen, die Wand wird sich nicht bewegen. Auch am Verlust des Telefons wird sich nichts ändern – egal wie viel Energie ihr reinsteckt.›» Die Jugendlichen hätten schliesslich verstanden, dass sie ihre Energie sinnvoller nutzen müssen. So hätten sie die Kurve gekriegt.

Wie ein Familienmitglied

Die schwierige Zeit hat die Jugendlichen und ihre Betreuungspersonen zusammengeschweisst. «Sie haben mich ‹Amá› genannt», sagt Yordanos – das paschtunische Wort für Tante. Dementsprechend emotional sei der Abschied gewesen. Umso mehr hat sich die Betreuerin über die Briefe ihrer ehemaligen Schützlinge gefreut. «Es tut sehr gut, das zu lesen.» Besonders eine Zeile stimmt zuversichtlich: «Ihr habt mir Widerstandskraft, Entschlossenheit und Selbstvertrauen eingeflösst», schreibt Habib in seinem Brief. Sein Leben lang werde er diese Haltung in sich tragen.

*Namen geändert